Die Europäische Kommission will die angeblich überbordende Bürokratie in der EU abbauen. Kommissionsvize Frans Timmermans stellte die Initiative am 19. Mai 2015 unter dem Schlagwort „Better Regulation“– deutsch: „Bessere Rechtsetzung“ – vor. Doch der Europäische Gewerkschaftsbund warnt vor der Initiative. Denn statt Bürokratie abzubauen, droht gegebenenfalls der Abbau von Standards, warnt der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB). Der EGB beantwortet die wichtigsten Fragen zum Vorschlag der EU-Kommission.
1. Wird EU-Recht weiterhin ausnahmslos für alle gelten?
Die Gleichheit vor dem Gesetz ist einer der rechtlichen Grundsätze in der EU. Die Frage ist, ob von der EU-Kommission der Vorschlag kommt, Kleinunternehmen von den Regularien der EU auszunehmen.
2. Werden die demokratischen Rechte der EU-Parlamentarier und des Ministerrats beschnitten?
Größere Änderungen an Richtlinien-Vorschläge der Kommission sollen nur noch möglich sein, wenn EU-Parlament und Rat zuvor eine Folgenabschätzung abgeben. Ein entsprechender Entwurf liegt dem EGB vor. Eine solche Forderung widerspräche dem Wunsch des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Junckers nach einem demokratischeren Europa – und sie wird als Machtanhäufung durch die Kommission eingestuft.
3. Was wird das Ergebnis sein: eine „bessere Rechtsetzung“ oder doch mehr Deregulierung?
Es ist nicht das erste Mal, dass die Kommission versucht, „Bürokratie“ abzubauen und bestehende Regelungen anzupassen. Das Ergebnis: Die Initiative für einen besseren Schutz vor arbeitsbedingten Krebserkrankungen wurde eingestampft, ebenso wie andere, dringend benötigte Programme für Gesundheit und Sicherheit. 2013 wurde die Entwicklung einer Richtlinie für den Einsatz von krebserregenden Chemikalien auf Anweisung der EU-Kommission beendet. Seitdem starben 150.000 Menschen in der Europäischen Union an arbeitsbedingten Krebserkrankungen4. Sollen zukünftig „Fachleute“ über Initiativen der EU entscheiden dürfen – obwohl sie nicht demokratisch gewählt wurden?
Dem EGB liegen Entwürfe vor, die ein „Regulatory Scrutiny Board“ vorschlägt – einen Beirat zur Überprüfung von Regularien. Dieser Beirat wäre demnach dafür zuständig, der Kommission vorab grünes Licht für den Start einer Initiative zu geben. Es gibt jedoch Hinweise, dass diese offensichtliche Übertragung von Macht auf den Beirat in der Endfassung des Vorschlags fehlt.
5. Ende der überbordenden Regulierung oder weiter wuchernde Bürokratie?
Im Timmermans-Entwurf bleibt es nicht beim „Regulatory Scrutiny Board“. Außerdem soll die „Folgenabschätzung“ auf alle EU-Institutionen ausgedehnt werden, es soll mehr öffentliche Anhörungen geben, ein „Folgenabschätzungskommittee“ („Impact Assessment Committee’) ist geplant, ein Nachweis über Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit und vieles mehr.
6. Werden Tarifverträge zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften zukünftig durch staatliche Stellen beraten?
Das würde der gesetzlichen Praxis in den Europäischen Mitgliedsstaaten widersprechen – ein solcher Vorstoß verstößt gegen das allgemeine Rechtsempfinden. Arbeitnehmer und Gewerkschaften sind strikt gegen die staatliche Festsetzung von Tarifverträgen.
Quelle: www.dgb.de