„Wir brauchen eine Willkommenskultur“

Berlin – Ausländische Ärzte werden derzeit in vielen Regionen Deutschlands dringend benötigt, damit die Patientenversorgung vor allem an Krankenhäusern im ländlichen Raum aufrechterhalten werden kann. Mancherorts gestaltet sich die Integration der ausländischen Kollegen jedoch nicht leicht, weil es an Konzepten, einer Finanzierung und an Integrationsprogrammen mangelt.

Der Marburger Bund (MB) Berlin-Brandenburg hat deshalb vor kurzem mit Vertretern aus Politik und Krankenhäusern sowie mit in Brandenburg und Berlin arbeitenden ausländischen Ärzten darüber diskutiert, wie eine Integration aussehen muss, die allen Beteiligten gerecht wird.

Fünf Fragen an Reiner Felsberg, Geschäftsführer des MB Berlin-Brandenburg

: Herr Felsberg, wie wichtig sind ausländische Ärzte für die Patientenversorgung in Brandenburg?

Felsberg: Sehr wichtig. Fast 10% der bei der Landesärztekammer Brandenburg gemeldeten Ärzte kommen aus dem Ausland. An manchen Krankenhäusern stammt sogar die Hälfte der ärztlichen Belegschaft aus dem Ausland und 80% der Assistenzärzte. Wenn diese Kollegen nicht wären, müssten Stationen schließen.: Welche Probleme kann es bei der Integration der ausländischen Ärzte in den Krankenhausalltag geben?

Felsberg: Ein Problem ist die Sprache. Um ihre Approbation anerkannt zu bekommen, müssen die ausländischen Kollegen ein Sprachniveau haben, das es ihnen ermöglicht, problemlos und auf einem hohen fachlichen Level mit ihren Patienten und deren Angehörigen zu sprechen. Das ist für die Patientensicherheit und das Vertrauensverhältnis unabdingbar.

Die Gesundheitsministerkonferenz hat im vergangenen Jahr gefordert, dass Ärzte aus dem Ausland über Fachsprachenkenntnisse auf dem Sprachniveau C1 nach dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen verfügen müssen, also über fortgeschrittene Kenntnisse. Das halte ich für richtig. Denn den Kollegen ist nicht geholfen, wenn sie hier arbeiten dürfen, obwohl sie nicht ausreichend deutsch sprechen. Davon haben die Kollegen nichts, und auch die Patientensicherheit kann darunter leiden.

: Wie funktioniert denn die Integration im Alltag heute?

Felsberg: Die Integration funktioniert heute gar nicht so schlecht. Viele Krankenhäuser in Brandenburg engagieren sich, zum Beispiel das Werner-Forßmann-Krankenhaus in Eberswalde oder auch das Asklepios-Klinikum in Schwedt. In Eberswalde  gab es bis vor kurzem ein Mentoring-Programm, bei dem sich deutsche Ärzte um ihre ausländischen Kollegen gekümmert haben, um deren Weiterbildung und auch um die Familien. Leider gibt es dieses Programm heute nicht mehr, weil es sehr teuer war und der Nutzen insofern gering, als manche der ausländischen Ärzte das Krankenhaus doch wieder verlassen haben.

: Was muss sich in Deutschland noch verbessern?

Felsberg: Zunächst einmal dürfen wir die ausländischen Kollegen nicht einfach nur als Lückenbüßer sehen. Wir brauchen eine Willkommenskultur, bei der wir ihnen zeigen, dass wir uns freuen, dass sie zu uns gekommen sind, dass wir uns wünschen, dass sie bei uns bleiben und die dafür benötigten Voraussetzungen schaffen. Dafür brauchen wir aber ein Konzept. Das fehlt heute leider häufig. Jede Einrichtung ist da auf sich gestellt.

Es gibt einen Vorschlag vom Asklepios-Klinikum in Schwedt, eine Art Kompetenzzentrum, in dem die ausländischen Ärzte Sprache und kulturelle Kompetenz erwerben können, für die Brandenburger Region zu einzurichten, so wie es zum Beispiel Berlin mit der Charité International Academy betreibt. So etwas fehlt in Brandenburg. In diesem Zusammenhang befinden wir uns zurzeit in Gesprächen mit dem Asklepios-Klinikum und unterstützen deren Anliegen.

Wir wollen dadurch erreichen, dass die Ärzte, die nach Brandenburg kommen, auch hier sesshaft werden wollen, dass sie die Arbeit hier nicht nur als eine Durchlaufstation betrachten. Dafür müssen wir ihnen aber auch dabei helfen, dass auch ihre Familien in der Region Fuß fassen. Das ist im Übrigen ein Aspekt, der deutsche Ärzte genauso betrifft.

Im Rahmen des Mentoring-Programms gab es in Eberswalde auch ein Stipendium für junge ausländische Ärzte. Sie mussten das Geld allerdings hinterher wieder zurückzahlen. Wir wünschen uns eine Mischfinanzierung, bei der nicht nur die Einrichtung sondern auch das Land und gegebenenfalls auch die Regionen und die Landkreise etwas dazu schießen. Wenn es in Eberswalde eine solche Ko-Finanzierung gegeben hätte, hätte das Programm sicher noch weiterlaufen können.

: Ist eine Zuwanderung ausländischer Ärzte perspektivisch überhaupt der richtige Weg, um den Ärztemangel in Deutschland zu stoppen?

Felsberg: Aus ethischer Sicht natürlich nicht, denn die Kolleginnen und Kollegen werden auch in ihren Herkunftsländern gebraucht. Es gibt von deutscher Seite aber auch keine offensive Werbung in anderen Ländern. Wir haben natürlich eine Verantwortung, dass wir die Ärzte aus Ländern wie Rumänien oder Bulgarien nicht abschöpfen, weil die Bevölkerung dort das gleiche Recht auf gute gesundheitliche Versorgung hat. Deshalb treten wir als MB auch für mehr Medizinstudienplätze und eine bedarfsgerechte Medizinerausbildung in Deutschland ein.

© fos/aerzteblatt.de

Quelle: www.aerzteblatt.de

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