Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen die Steuer- und Energiepolitik auf dem EU-Sondergipfel zur Chefsache machen. Die Debatte im Europaparlament zeigt allerdings, wie heiß beide Eisen sind.
Der Sondergipfel am Mittwoch (22.05.2013) hat mehrere Wandlungen hinter sich: Erst sollte er sich nur mit Energiefragen befassen, dann nur mit dem Thema Steuerbetrug, jetzt sollen es beide Themen sein, und das alles innerhalb eines Nachmittags. Beide Themen bieten jedenfalls im Parlament viel emotionalen Zündstoff. Dabei ist das Europaparlament in Steuerfragen nicht einmal zuständig; darüber bestimmen die Mitgliedsstaaten.
EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta freut sich jedenfalls, dass die Staats- und Regierungschefs endlich auf dieser Ebene darüber reden. Die Finanzminister haben zwar vor kurzem beschlossen, dass sie gemeinsam viel stärker gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung vorgehen wollen. Semeta kann aber nicht verbergen, dass er „auf mehr Ehrgeiz, bindendere Zusagen und kürzere Fristen gehofft hatte“. Beschlossen ist zum Beispiel, dass die EU mit einer Reihe von Drittstaaten Verhandlungen über einen Informationsaustausch von Kontoinhabern führen soll. Doch nach wie vor haben zum Beispiel Luxemburg und Österreich das Bankgeheimnis. Das heißt, auch innerhalb der EU wird dieser Austausch blockiert.
Jährlich fehlt eine Billion Euro
Der deutsche SPD-Abgeordnete und Finanzfachmann Udo Bullmann fasste die Stimmung vieler Parlamentarier aus sehr unterschiedlichen Parteien und Ländern in dem Satz zusammen: „Es darf nicht länger sein, dass die europäischen Staaten ausschließlich von denen bezahlt werden, die entweder nicht weglaufen können oder die zu anständig sind zum Weglaufen.“ Die EU schätzt, dass den Staaten durch Steuerbetrug jährlich Einnahmen von einer Billion Euro, also tausend Milliarden, entgehen. Was man damit gerade in Zeiten der Krise alles machen könnte, malen zahlreiche Abgeordnete phantasiereich aus und beklagen, dass die normalen Leute durch höhere Steuern und Abgaben die fehlenden Beiträge der Reichen ausgleichen müssten.
Die Debatte wurde bei der Suche nach den Schuldigen zwischenzeitlich zu einem nationalen Schlagabtausch zwischen dem österreichischen Abgeordneten Franz Obermayr von der Freiheitlichen Partei und seinem deutschen CDU-Kollegen Werner Langen. Als Obermayr zum Kampf gegen Steueroasen in der Karibik und anderswo aufrief, aber mahnte, „das Bankgeheimnis für den Kleinanleger zu wahren“, platzte Langen der Kragen: Österreich habe immer wieder die grenzüberschreitende Zinsbesteuerung verhindert und durch sein Stiftungsmodell „Reiche geradezu eingeladen, nach österreichischem Recht Steuerhinterziehung zu betreiben. Mit welcher Frechheit behaupten Sie, Österreich sei eine Lösung?“ Die Verantwortung werde immer zwischen Luxemburg, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein, den Cayman-Inseln und anderen hin- und hergeschoben und dadurch ein gesamteuropäisches Modell blockiert, meinte Langen.
Hohe Steuern machen erfinderisch
Doch es gibt im Parlament eine bedeutende Minderheit, die auch ganz anders argumentiert. Auch sie verdammt den Steuerbetrug reicher Privatpersonen oder die trickreiche Steuervermeidungsstrategie internationaler Konzerne wie Google, Amazon oder Starbucks. Der Schwede Gunnar Hökmark meinte, auch die geplante Finanztransaktionssteuer werde zu Vermeidungsstrategien führen. Schließlich sagte der britische Konservative Martin Callanan, hohe Steuern wie in Frankreich trieben Unternehmer aus dem Land. Deswegen dürfe es auch keine Steuerharmonisierung in Europa, sondern müsse es weiter Steuerwettbewerb geben. Sarkastisch fügte er hinzu, Frankreich solle machen, was es wolle. „Ich bitte nur darum, dass im Interesse der Energieeffizienz der letzte Unternehmer, der Frankreich verlässt, das Licht ausmacht.“
Vernichtet die Klimapolitik Arbeitsplätze?
Womit eine Brücke zum zweiten großen Gipfelthema geschlagen war. Auch das Thema Energie steht im Moment ganz im Zeichen der europäischen Wirtschaftskrise. EU-Energiekommissar Günther Oettinger gab zu, man habe Energie in der Vergangenheit auch bewusst verteuert, „zum einen, um unsere Haushaltsprobleme zu lösen. Und der zweite Grund war Energieeffizenz: Was teuer ist, mit dem geht man sparsam um.“ Doch für Arme werde teure Energie zu einem zunehmenden Problem. Außerdem vertreibe teure Energie die europäische Industrie. In den USA seien Gas und Strom deutlich billiger als in Europa. Diesen Wettbewerbsnachteil für Europa dürfe man nicht hinnehmen, sonst werde sich Europa entindustrialisieren und viele hochwertige Arbeitsplätze verlieren.
Oettinger spricht damit vielen Abgeordneten von rechts und links aus der Seele. Sie glauben, die Klimapolitik werde im Moment übertrieben. Doch der Grünen-Kovorsitzende Daniel Cohn-Bendit warnt: „Wenn Sie auf Kohle, Atomkraft und Schiefergas setzen, um das Energieproblem zu lösen, gehen Sie zurück in die Vergangenheit.“ Bei der Förderung von Schiefergas, wie in den USA, müsse man viel mehr Geld in die Beseitigung der Schäden stecken, als die zusätzliche Energie dem Bürger nütze. Auch EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard hatte vor kurzem gesagt, Europa wolle doch wohl kaum zurück zur Kohle und so verschmutzte Städte wie in China haben.
DW.DE