Über syrische Flüchtlinge kursieren in den Medien und Sozialen Netzwerken viele Gerüchte: Die meisten seien Analphabeten und kaum ausgebildet. Diese Behauptungen sollen hier überprüft werden. Da noch keine repräsentativen Daten über die Qualifikationen der Flüchtlinge in Deutschland existieren, gibt ein Blick auf die Bildungsstruktur in Syrien vor dem Krieg gute Anhaltspunkte. Bereits seit 2011 befasst sich das IW Köln im Rahmen des vom BMWi finanzierten Projektes BQ-Portal mit dem syrischen Bildungssystem.
Aussage Nummer 1: Zwei Drittel der Syrer sind (funktionale) Analphabeten
Die Analphabetenrate in Syrien lag im Jahr 2011 bei ca. 15%, bei den 15- bis 25-Jährigen sogar bei nur 3,5%. Funktionale Analphabeten sind laut OECD Personen, die nur sehr eingeschränkt lesen und schreiben können. Wie hoch die Rate der funktionalen Analphabeten in Syrien bis zum Kriegsausbruch war, lässt sich nicht ermitteln, da Syrien nie an dem internationalen Bildungsvergleich PISA teilgenommen hat.
Beteiligt hat sich Syrien nur an der Studie TIMSS 2011, in der die mathematischen Fähigkeiten von Schülern getestet wurden. Hier belegte Syrien im Vergleich Platz 39 von 42 Ländern und schnitt damit sehr schlecht ab. Fest steht jedoch: Die Einschulungsquote in Syrien war in den letzten Jahren sehr hoch und lag 2011 bei 97% eines Altersjahrgangs. 1981 wurde die sechsjährige Schulpflicht eingeführt und 2002 auf neun Jahre erhöht. Damit wollte die Regierung die damals noch höhere Analphabetenrate senken. Auch das Erlernen von Englisch oder Französisch, und damit der lateinischen Buchstaben, ist in den Curricula der syrischen Schulen verankert. Allerdings haben seit Ausbruch des Bürgerkriegs vermutlich viele Jugendliche durch ihre Flucht über einen längeren Zeitraum keine Schule besucht. Weiterlesen