Jeder zweite Europäer ist kurz- oder weitsichtig

Sehstörungen, die auf einem Refraktionsfehler im Auge beruhen, sind in Europa häufiger als bisher angenommen. Eine Meta-Analyse im European Journal of Epidemiology (2015: 30: 305-315) ermittelte eine altersstandardisierte Prävalenz der Myopie von 30,6% und der Hyperopie von 25,2%. Bei 23,9% komplizierte ein Astigmatismus den Refraktionsfehler.

Zur Myopie kommt es, wenn der Brennpunkt des Auges vor der Netzhaut liegt. Entfernte Objekte werden dann unscharf wahrgenommen. Die Kurzsichtigkeit ist Folge eines verstärkten Längenwachstums des Augapfels in der Jugend. Die Prävalenz nimmt bis Ende der 20er Lebensjahre zu. Nach den jetzt von Katie Williams, King’s College London, zusammen mit dem European Eye Epidemiology (E3) Consortium vorgestellten Daten sind in Europa 47,2% der Bevölkerung im Alter von 25 bis 30 Jahren myop.Im weiteren Verlauf des Lebens geht der Anteil der Kurzsichtigen wieder zurück, was die Epidemiologin als „hyperopic shift“ bezeichnet. Im Alter von 65 bis 69 Jahren sind nur noch 15,9% kurzsichtig. Später steigt der Anteil wieder. Dieses „hyperopic shift“ wird mit der Entwicklung einer Katarakt in Verbindung gebracht.

Bei der Hyperopie liegt der Brennpunkt des Auges hinter der Netzhaut. Der Augapfel ist zu kurz. Diese Störung ist bei jungen Menschen äußerst selten. Die Prävalenz beträgt in der Altersgruppe von 25 bis 30 Jahren nur 6,4%, er steigt in der Altersgruppe der 55 bis 59-Jährigen auf 31,2% an, später stinkt die Prävalenz wieder leicht ab.

Nach einer Hochrechnung von Williams dürften in Europa etwa 227,2 Millionen Menschen einen Refraktionsfehler haben. Für die meisten Menschen bleibt dies folgenlos. Die Sehstärke lässt sich seit dem Mittelalter durch eine Brille wieder herstellen. Moderne Brillen (oder Kontaktlinsen) gleichen auch einen Astigmatismus aus. Nur bei einer sehr starken Verlängerung des Augapfels, also einer sehr ausgeprägten Myopie, kann die starke Dehnung der Netzhaut zu Rissen und zu einer Netzhautablösung führen. Williams schätzt, dass etwa 20,1 Millionen Europäer aufgrund ihres Refraktionsfehlers gefährdet sind.

Ob die Myopie zunimmt, wie allgemein vermutet wird, konnte in der Studie nicht untersucht werden. Längere Bildungsphasen und die Zunahme von Computern werden als mögliche Auslöser diskutiert. Es gibt jedoch auch genetische Faktoren, die erklären, warum in Ostasien bis zu 80% aller jungen Menschen kurzsichtig sind.

© rme/aerzteblatt.de

Quelle: www.aerzteblatt.de

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