Die Vermögen in modernen Gesellschaften sind sehr ungleich verteilt – so lautet eine zentrale Erkenntnis von Thomas Piketty in „Das Kapital im 21. Jahrhundert“.
Miriam Rehm, PhD, und Dr. Matthias Schnetzer zeigen, dass dies in Europa in besonderem Maße für Deutschland und Österreich gilt. Wichtige Gründe für die hohe Ungleichheit seien Kapitaleinkommen und Erbschaften, konstatieren die beiden Wissenschaftler der Arbeiterkammer in Wien in einem Beitrag für den neuen Sammelband „Thomas Piketty und die Verteilungsfrage“.
Das Buch wird unter anderem von Prof. Dr. Peter Bofinger sowie von Prof. Dr. Gustav A. Horn und Dr. Kai Daniel Schmid vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung herausgegeben. Es ist als kostenloses E-Book erhältlich.
Das reichste Prozent der Deutschen besitzt den (Household Finance and Consumption Survey) HFCS-Daten zufolge etwa 24 % am gesamten Privatvermögen. Tatsächlich dürfte der Anteil sogar noch höher ausfallen, so die Forscher. Das liege daran, dass sich die Vermögen von Superreichen in einer freiwilligen Erhebung schwer erfassen lassen. Nach einer aktuellen, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie könnte in Deutschland bis zu einem Drittel des Vermögens beim reichsten Prozent konzentriert sein. In Österreich gehen Schätzungen sogar von gut 40 % aus.Die Analyse von Rehm und Schnetzer zeigt außerdem, dass es große Unterschiede in der Form gibt, die Vermögen annimmt: Das Vermögen derjenigen, die zur unteren Hälfte der Verteilung zählen, bestehe hauptsächlich aus Kraftfahrzeugen. Bei der „oberen Mitte“ gewinne das Eigenheim deutlich an Bedeutung, zum Teil auch Aktien und Fonds. Erst bei den „Reichen“, in diesem Fall den obersten fünf Prozent der Vermögensverteilung, seien Immobilien als Kapitalanlage sowie Unternehmensbeteiligungen sehr verbreitet. Diese Gruppe verfüge deutlich häufiger über Anleihen, Aktien, Fonds und risikobehaftete Investments.
Während die große Mehrheit der Österreicher ihr Einkommen hauptsächlich aus Arbeit erziele, ändere sich dies am oberen Rand der Verteilung. Das oberste Prozent der Vermögenden in Österreich beziehe etwa ein Drittel seines gesamten Einkommens aus Kapitalanlagen. Die Vermögenseinkommen seien noch viel ungleicher verteilt als die Arbeitseinkommen, schreiben die Forscher.
Auch bei Erbschaften zeigen die Daten eine Schieflage: Je vermögender ein Haushalt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, in den Genuss einer Erbschaft zu gelangen. Unter den reichsten zehn Prozent der österreichischen Haushalte erbten etwa 70 %, unter den ärmsten zehn Prozent nur jeder zehnte Haushalt. Dabei steige auch die Höhe der empfangenen Erbschaft. Bei den reichsten zehn Prozent betrage eine durchschnittliche Erbschaft 300.000 Euro, bei den ärmsten zehn Prozent am anderen Ende der Verteilung etwa 20.000 Euro. Die Wissenschaftler sehen darin einen Beleg für die „starke dynastische Bedeutung“ von Erbschaften.
Piketty kommt in seinen empirischen Analysen zu einem ähnlichen Ergebnis. Eine zentrale Erkenntnis bei ihm lautet, dass es deutlich wahrscheinlicher sei, große Vermögen durch Erbschaften aufzubauen, als durch Arbeit. Diese Schlussfolgerung werde durch die neuen Daten gestützt, so Rehm und Schnetzer.
Weitere Informationen:
Miriam Rehm, Matthias Schnetzer: Piketty revisited: Vermögensungleichheit in Europa, in: Peter Bofinger, Gustav A. Horn, Kai Daniel Schmid, Till van Treeck (Hrsg.): Thomas Piketty und die Verteilungsfrage (pdf – EBook). Analysen, Bewertungen und wirtschaftspolitische Implikationen für Deutschland, 2015.
In dem Sammelband haben 14 Ökonominnen und Ökonomen untersucht, welche Bedeutung Pikettys Analyse für den deutschen Sprachraum hat.
Christian Westermeier, Markus M. Grabka: Große statistische Unsicherheit beim Anteil der Top-Vermögenden in Deutschland, DIW-Wochenbericht 7/2015. Zusammenfassung in Böckler Impuls 3/2015
Kontakt: Dr. Kai Daniel Schmid, IMK
Leiter Pressestelle: Rainer Jung
Quelle: www.boeckler.de