Der Gesundheitszustand vieler Migranten ist besser als befürchtet. Dennoch besteht in den Aufnahmeeinrichtungen die Gefahr, dass sich übertragbare Erkrankungen ausbreiten.
Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) gibt in einem Report einige Empfehlungen. Das Robert Koch-Institut hatte bereits in der letzten Woche im Epidemiologischen Bulletin (2015; doi 10.17886/EpiBull-2015-007.2) eine Liste behandlungsbedürftiger und für Deutschland ungewöhnlicher Infektionskrankheiten veröffentlicht, die bei Migranten auftreten könnten.
Das Eintreffen größerer Gruppen von Menschen, deren Immunabwehr infolge der Strapazen der Reise geschwächt ist, erhöht insbesondere das Risiko auf eine Tuberkulose. Die diesbezüglichen Sorgen haben sich aber bislang nicht bestätigt. In Deutschland, wo die Prävalenz auch im europäischen Vergleich niedrig ist, wurde keine Häufung von Erkrankungen verzeichnet. In Dänemark ist laut den Recherchen der ECDC das Risiko einer Übertragung von Einheimischen auf die Migranten sogar 2,5-fach höher als vice versa. Da eine eingeschränkte Immunabwehr die Reaktivierung einer latenten tuberkulösen Infektion fördert, sind die Vorsichtsmaßnahmen berechtigt.
Die ECDC rät deshalb zu einer konsequenten medizinischen Untersuchung aller Migranten beim Eintreffen in der Unterkunft. Dabei sollten die Ärzte auf mögliche Infektionen achten. Da sich eine systemische Infektion zuerst durch einen Temperaturanstieg bemerkbar macht, ist Fieber das Leitsymptom, das eine diagnostische Klärung und Therapie erforderlich macht.
Das Robert Koch-Institut veröffentlich hierzu eine Liste der relevanten ungewöhnlichen Infektionskrankheiten. Unter den zehn Erkrankungen (plus drei bei Kindern) ist nur eine, die Meningitis, die sich in den Gemeinschaftseinrichtungen rasch ausbreiten könnte. Beim Lassa-Fieber und dem Krim-Kongo-Fieber, beides Virusinfektionen, ist dies (vor allem im pflegerischen Kontext) ebenfalls möglich. Typhus und Amöbenleberabszess sollten nicht auftreten, solange keine fäkal kontaminierten Lebensmittel ausgegeben werden. Läuserückfallfieber und Fleckfieber/Flecktyphus wären ebenfalls ein Ausweis einer schlechten Unterbringung, da Kleiderläuse der Vektor einer Übertragung sind. Bei anderen Erkrankungen wie der Malaria kann eine Ausbreitung mangels einheimischem Vektor wohl ausgeschlossen werden.
Ein Screening ist dennoch sinnvoll. Neben der Tuberkulose sollten laut ECDC-Experten Tests auf Hepatitis B, Hepatitis C, HIV, sexuell übertragbare Krankheiten, durch Impfung vermeidbare Krankheiten, Cholera, Malaria, Helminthen, Darmprotozoen und die Chagas-Krankheit erwogen werden. Eine Suche nach Läusen, obwohl diese keine Krankheitserreger sind, sollte ebenfalls erwogen werden.
Bei den Impfempfehlungen stehen Masern an erster Stelle, da die Viren sich rasant ausbreiten können. Insbesondere Kinder bis zu 15 Jahren sollten geimpft werden. Polio ist ebenfalls ein Thema insbesondere bei Kindern und Erwachsenen, die aus Ländern wie Afghanistan und Pakistan kommen, die zuletzt noch Viren exportiert hatten, oder Ländern wie Nigeria und Somalia, wo es vor kurzem noch Erkrankungen gab oder Ländern wie Kamerun, Äquatorialguinea, Äthiopien, Irak, Israel und Syrien, die als gefährdet eingestuft werden.
Auch sollte gegen Meningokokken und Diphtherie geimpft werden. Bei den Meningokokken hängt die Wahl von der im Herkunftsland verwendeten Impfstoffen ab, bei der Diphtherie sollte die Indikation nach einer individuellen Impfanamnese gestellt werden. © rme/aerzteblatt.de
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