„Willkommen Europa“ heißt die ökumenische Anlaufstelle, die es seit Sommer 2014 in der Dortmunder Nordstadt gibt. Seit der vollständigen Freizügigkeit für Bulgaren und Rumänen sind viele Menschen nach Dortmund gekommen – auf der Suche nach einem besseren Leben. Diesen Menschen helfen der Caritasverband, das Diakonische Werk und GrünBau, eine gemeinnützige Gesellschaft für soziale Beschäftigung und Qualifizierung. Gemeinsam betreiben sie die Anlaufstelle.
„Es ist nicht so einfach, in Deutschland zurechtzukommen. Ich weiß gar nicht, wo es was gibt und ob das, was gesagt wird, wahr ist. Ohne die Sprache zu sprechen, ist alles schwer. Man ist immer abhängig von anderen. Ich fühle mich oft alleine und einsam“, sagt Anna Tzvetanova*. Wie der 39-jährigen Bulgarin geht es vielen Zuwanderern aus Osteuropa. Oft kommen sie ohne Schul- und Berufsausbildung nach Deutschland, haben keine Krankenversicherung und in den meisten Fällen auch keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Auf Hilfe angewiesen sind sie meist leichte Opfer für professionelle „Vermittler“, die ihnen Wege ebnen wollen – natürlich gegen Bares.
Projekt „Start-Hilfe“ hat Scharnierfunktion
Um hier Abhilfe zu schaffen, haben Caritas, Diakonie und GrünBau ihre Kräfte in einer gemeinsamen Beratungsstelle gebündelt. Das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderte Projekt „Start-Hilfe“ der Caritas hat „eine Scharnierfunktion zur Weitervermittlung in die Regeldienste“, erklärt Projektleiter Frank Merkel. Er und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten eine erste Orientierung für EU-Einwanderinnen und Einwanderer und verweisen an passende Beratungs- und Unterstützungsangebote:Das können die Migrationsberatung, aber auch die Schwangeren-, Schuldner- oder die Sozialberatung sein, aber auch die Arbeitsmarktintegrationslosten des Jobcenters.
Seit einem Jahr läuft die Arbeit sehr erfolgreich. Vor allem, weil die muttersprachlichen Mitarbeitenden die Zuwanderinnen und Zuwanderer besonders früh erreichen: Möglich ist das u.a. durch die gute Kooperation mit den Bürgerdiensten der Stadt Dortmund. Hier gibt es ein EU-Team, bei dem sich europäische Zuwanderer anmelden. Das Team wird von Beraterinnen und Beratern von „Willkommen in Europa“ unterstützt. Durch Ihre Präsenz vor Ort erreichen sie viele Familien, beantworten erste Fragen und laden sie in die Anlaufstelle in die Dortmunder Nordstadt ein.
Gutscheine für Integrationskurse
Drei Mal die Woche gibt es dort offene Sprechzeiten. 30 bis 40 Personen kommen dann jeweils zum Beratungsgespräch. Seit März 2015 ist an „Start-Hilfe“ auch die Ausgabestelle für Gutscheine für Integrationskurse angedockt. Das ist ein Pilotprojekt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Bislang gibt es dies in München, Berlin und Duisburg sowie Dortmund. Die Beraterinnen und Berater können bildungsfernen EU-Zuwanderinnen und Zuwanderern unter bestimmten Voraussetzungen zu einem kostenlosen Integrationskurs verhelfen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn in der Regel müssen EU-Bürger einen Eigenanteil bezahlen. „Wir können bis zu 600 Gutscheine im Jahr ausgeben. Die Menschen werden dann auch sozialpädagogisch begleitet – in einer Intensität, die die
Von diesem Angebot profitiert auch Anna Tzvetanova. Neben dem Sprachkurs haben ihr die Beraterinnen und Berater der „Start-Hilfe“ auch Kontakt zu einer Stadtteilmutter vermittelt. Die zeigte ihr Treffpunkte und interessante Angebote für Frauen und begleitete sie die ersten Male dorthin.
Großer Zuspruch für das Dortmunder Projekt
Die Zahl der Hilfesuchenden ist im Laufe des ersten Jahres deutlich gestiegen: „Die Mitarbeiter stoßen schon an ihre Grenzen und es gibt auch nicht genügend Beratungsräume“, bedauert Merkel. Neben Rumänen und Bulgaren kommen immer mehr Menschen mit spanischen Papieren. „Sie treibt die Sorge um die Zukunft ihrer Kinder nach Deutschland, weil sie in Spanien keine Zukunft mehr sehen“, ergänzt Sprachmittlerin Maria Carmen Mayoral S. Clemens.
Fast niemand der Hilfesuchenden verfügt über gute berufliche oder sprachliche Qualifikationen. „Sie haben oft falsche Vorstellungen vom Arbeitsmarkt. Sie glauben, wie früher in Spanien auch, ohne Sprachkenntnisse in Fabriken arbeiten zu können. Doch das gibt es hier nicht … nicht mehr“, fasst Julia Engemann, sozialpädagogische Begleiterin der Integrationskurse, zusammen.
Beruflicher Neustart in Deutschland
Die Situation für die Neuzuwanderer ist aber nicht hoffnungslos. Denn es gibt immer wieder Vermittlungserfolge. Beraterin Johanna Smith hat viele positive Beispiele erlebt, wie Menschen aus schwierigen Verhältnissen in eine berufliche und finanzielle Unabhängigkeit gekommen sind. Dazu zählt die Geschichte eines spanischen Ehepaars, beide um die 50, denen der berufliche Neustart in Deutschland gelungen ist. Er arbeitet als Küchenhelfer in einem spanischen Restaurant, seine Ehefrau bei einer Reinigungsfirma.
Eine deutliche Sprache sprechen auch die Danksagungskarten. Einige haben die Berater im Eingang der Anlaufsstelle aufgehängt. Es gibt noch viel zu tun. Aber das Netzwerk wird immer dichter, die Hilfsangebote immer passgenauer. Dortmund packt an – gemeinsam – und sagt „Willkommen Europa“.
Autor: Alexander Völkel
Quelle: www.bamf.de