Diätenerhöhung: ca. 1.000 Euro monatlich und automatische Steigerung

Vierzig eng beschriebene Seiten umfasst die Drucksache 17/2500. Darin empfiehlt eine Expertenkommission des Bundestags eine Reform der Abgeordneten-Diäten. In dieser Woche (15.04.-19.04.2013) werden sich die Fraktionen mit dem Thema beschäftigen.

Der Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim hat das Kleingedruckte studiert und ist empört. Der Professor hat gerade in seinem Buch „Die Selbstbediener“ die Problematik der Politikfinanzierung am Beispiel Bayerns aufgezeigt.  Herr von Arnim, normalerweise debattiert die Öffentlichkeit erregt über die Abgeordnetendiäten. Bei der Vorlage des Kommissionsvorschlags zur Erhöhung der Bezüge in den Osterferien ist es vergleichsweise ruhig geblieben. Wie erklären Sie sich das?

Die Öffentlichkeit durchschaut noch nicht, was die Umsetzung der Vorschläge bedeuten würde. Der Bericht birgt gewaltigen Zündstoff.

Zum Beispiel?

Die Kommission fordert eine Anhebung der Abgeordnetenbezüge auf das Niveau von Bundesrichtern. Sie verschweigt aber, wie viel das ist. Tatsächlich macht das eine Erhöhung von monatlich fast 1000 Euro aus – und das, obwohl die Diäten zum Jahresbeginn bereits angehoben wurden. Außerdem sollen die Bezüge in Zukunft automatisch steigen. Mit dieser Dynamisierung wird die öffentliche Kontrolle ausgeschaltet. Das geht nicht. Das Verfassungsgericht hat ausdrücklich verlangt, dass jede einzelne Erhöhung in einem parlamentarischen Prozess beschlossen wird.

Wie kommen Sie auf 1000 Euro?

Derzeit bekommen Abgeordnete 8 252 Euro im Monat. Bundesrichter erhalten ab August aber einschließlich der schwer zu berechnenden Zulagen 9 208 Euro. Das ergibt dann eine Erhöhung der Diäten um 956 Euro. Mit diesen Zahlen hält die Kommission offenbar gezielt hinterm Berg.

Bundestagspräsident Lammert hat die Arbeit der Kommission als „bemerkenswert“ gelobt.

Kein Wunder: Die Kommission ist vom gleichen Fleisch wie der Bundestagspräsident. Sie besteht vornehmlich aus ehemaligen Abgeordneten, parlamentarischen Staatssekretären, Ministern und anderen parlamentsnahen Personen. Die haben einen extrem einseitigen Bericht vorgelegt. Letztlich ist das ein Gefälligkeitsgutachten.

Aber Bundestagsabgeordnete haben einen sehr verantwortungsvollen Job. Müssen sie nicht angemessen entschädigt werden?

Das ist nicht der Punkt. Es geht um das Bewilligungsverfahren und das üppige Drumherum. Richter erhalten keine steuerfreie Kostenpauschale. Sie bekommen eine weniger günstige Altersversorgung und dürfen nicht noch nebenher einen Zweitberuf ausüben. Das Abgeordnetenmandat und der Richterberuf sind einfach zwei Paar Schuhe. Die Kommission betreibt Rosinenpickerei: Sie will die Entschädigung der Parlamentarier anheben, alle problematischen Vorteile der Abgeordneten segnet sie dagegen ab.

Sie kritisieren auch die steuerfreie Kostenpauschale von 4 123 Euro im Monat, die den Parlamentariern zusätzlich zusteht. Wollen Sie bestreiten, dass ein Abgeordneter etwa für eine Zweitwohnung in Berlin Sonderausgaben hat?

Nein. Aber diese Pauschale erhalten alle Abgeordneten, auch wenn sie keine entsprechenden Aufwendungen haben, weil sie beispielsweise in Berlin oder dessen Umland zu Hause sind. Alle werden über einen Leisten geschert, was für viele Abgeordnete ein steuerfreies Zusatzeinkommen bedeutet. Stattdessen sollte ein deutlich geringerer Betrag pauschal erstattet werden. Im Übrigen müssten die Abgeordneten bis zu einer Obergrenze spitz abrechnen. Aber die Mehrheit der Kommission will alles beim Alten lassen und schiebt die verfassungsrechtlichen Bedenken beiseite.

Wenn das verfassungswidrig ist, warum greift das Gericht nicht ein?

Die Kommission weiß genau, dass vermutlich doch niemand das Bundesverfassungsgericht anrufen wird. Politiker, die von den Vorschlägen profitieren, werden nicht klagen, und die Bürger haben kein Klagerecht. Von sich aus darf das Gericht aber nicht tätig werden.

Zur Altersversorgung macht die Kommission gar keinen Vorschlag.

Da gab es ein Patt. Die Hälfte will nichts ändern, die andere Hälfte erkennt durchaus, dass die hohe beitragsfreie Altersversorgung nicht mehr in die Landschaft passt. Abgeordnete erhalten im Alter pro Mandatsjahr 207 Euro Versorgung im Monat. Ein durchschnittlicher Rentner bekommt pro Beschäftigungsjahr rund 30 Euro Rente. Die Versorgung der Abgeordneten ist also siebenmal so großzügig. Das ist dringend einzuschränken.

Glauben Sie, dass der Bundestag in der nächsten Legislaturperiode den Vorschlägen folgen wird?

Man kann über vieles diskutieren in der Sache. Aber nicht darüber, dass eine amtliche Kommission das Pro und Kontra und die verfassungsrechtliche Lage neutral darstellen muss.

Diese Kommission hat völlig einseitig wie ein Interessenvertreter nur die Argumente aufgelistet, die für ihre Klientel sprechen. Das ist ein Anschlag auf die politische Kultur dieses Landes. Es wird hoffentlich eine Reform der Diäten geben, aber nicht auf dieser Basis.

Quelle: FR + KSTA 15.04.2013 / Das Interview führte Karl Doemens

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