Deutschland wirtschaftspolitisch besser aufgestellt, aber zentrale Defizite bleiben

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (=IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung geht in seiner aktuellen Konjunkturprognose zwar davon aus, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr um durchschnittlich 1,2 % wachsen wird. Doch ein selbsttragender Aufschwung ist nach Einschätzung der Forscher derzeit nicht in Sicht. Wesentlicher Grund dafür ist die fortgesetzte wirtschaftliche Schwäche bei vielen europäischen Handelspartnern, unter denen der deutsche Export weiterhin leidet.

„Die weitgehend erfolglose überharte Sparpolitik wird derzeit etwas gelockert. Der Euroraum insgesamt findet daher 2014 aus der mehrjährigen Rezession heraus. Aber das reicht längst noch nicht, um die Krise abhaken zu können. Die hohe Arbeitslosigkeit in vielen Ländern lastet weiter massiv auf Europa“, sagt Gustav A. Horn, der Wissenschaftliche Direktor des IMK. Neue Regierung: Positive Impulse auf dem Arbeitsmarkt

Um die Erholung zu beschleunigen und zu vertiefen, empfiehlt das IMK daher, in den europäischen Überschussländern die Nachfrage zu stärken. Auf diese Weise würde nicht nur die Konjunktur im jeweiligen Land unterstützt, sondern auch den Krisenländern bessere Chancen im innereuropäischen Handel eröffnet.

Die Binnennachfrage ließe sich sowohl über eine stärkere Lohnentwicklung als auch über höhere öffentliche Investitionen festigen. „Deutschland ist dabei besonders gefragt, auch im ureigenen Interesse“, sagt Horn. „Denn wir haben auf beiden Feldern erheblichen Nachholbedarf. Insbesondere die niedriger bezahlten Beschäftigten haben über das vergangene Jahrzehnt real an Einkommen verloren. Und der öffentliche Kapitalstock verfällt zusehends. Seit 2003 waren die Abschreibungen um insgesamt 31 Milliarden Euro höher als die Investitionen. Beide Entwicklungen haben uns Chancen auf Wachstum und Arbeitsplätze gekostet.“

Die Vereinbarungen der Großen Koalition beurteilt das IMK vor diesem Hintergrund differenziert. „Die deutsche Politik ist in wichtigen Punkten weiter als vor einem Jahr. Aber der große Wurf steht aus“, sagt Horn. Positiv sehen die Wissenschaftler die geplanten Reformen auf dem Arbeitsmarkt.

…doch der Investitionsstau bleibt

Deutlich kritischer beurteilen die Forscher die zusätzlichen Ausgabenvorhaben der Großen Koalition. Den Großteil der geplanten „prioritären Maßnahmen“ halten die Forscher vom Grundsatz her für durchdacht, weil er die Kommunen unterstütze, deren Investitionsschwäche besonders ausgeprägt ist. Mit einem Volumen von 23 Milliarden Euro von 2014 bis 2017 oder 0,2 % des jährlichen BIP seien die jährlichen Mehrausgaben für Infrastruktur, Bildung und Forschung aber viel zu gering, um einen nennenswerten Effekt zu erzielen.“ Bei einem ganz zentralen Problem des Landes, nämlich dem in über einem Jahrzehnt aufgelaufenen Investitionsstau, bleibt die zukünftige Regierungskoalition eine Lösung schuldig“, warnt das IMK.

Dass die Große Koalition die geplanten Zusatzausgaben erklärtermaßen aus Steuermehreinnahmen und Umschichtungen im Haushalt finanzieren wolle, setze hier allerdings enge Grenzen. Denn schon die Finanzierung der „prioritären Maßnahmen“ auf diesem Wege halten die Forscher für zweifelhaft. So weise die aktuelle Steuerschätzung vom November 2013 deutlich geringere Steuereinnahmen für den Bund aus – knapp fünf Milliarden weniger als noch die mittelfristige Finanzplanung vom Sommer.

Die Forscher halten es für weitaus sinnvoller, die Erbschaftsteuer und den Spitzensatz der Einkommensteuer zu erhöhen und die Vermögensteuer wieder einzuführen.

Weitere Informationen: Gustav A. Horn, Alexander-Herzog-Stein, Ansgar Rannenberg, Katja Rietzler, Silke Tober, Rudolf Zwiener: Weichen für die Zukunft stellen. Wirtschaftspolitische Herausforderungen 2014 (pdf) / IMK Report Nr. 90, 06. Januar 2014.

Quelle: www.boeckler.de

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