Eine Auswertung der Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Vorstandsmitglieder in Dax-30-Unternehmen verdienten 2011 im Mittel 53mal so viel wie durchschnittliche Beschäftigte in ihrer Firma.
Dass der Chief Executive Officer, der Vorstandsvorsitzende, deutlich mehr bekommt als ein durchschnittlicher Beschäftigter im Unternehmen, ist klar, in den USA sowieso. Aber muss es wirklich das 273-Fache sein? Dieses Verhältnis weist das Economic Policy Institute (EPI) aus, das die „CEO Pay Ratio“ für die 350 größten US-Unternehmen im Jahr 2012 ermittelt hat. Ein enormer Anstieg gegenüber 1965, als der CEO laut EPI im Mittel noch rund 20mal so viel verdiente wie ein durchschnittlicher Mitarbeiter. Und im historischen Vergleich noch nicht einmal der höchste Grad an innerbetrieblicher Ungleichheit. Den veranschlagt das Forschungsinstitut für das Jahr 2000: Auf dem Höhepunkt des New-Economy-Booms bekamen amerikanische Vorstandchefs im Schnitt 383mal mehr als ihre Angestellten.
Dauerhaft mehr Transparenz in die Entlohnungsstrukturen will jetzt die US-Börsenaufsicht SEC bringen. Börsennotierte amerikanische Unternehmen sollen künftig die „CEO Pay Ratio“ in ihren Geschäftsberichten veröffentlichen. Bis Ende November läuft eine Anhörungsfrist, danach wird die SEC verbindlich entscheiden.
Die Verdienstrelationen in deutschen Großunternehmen untersuchen Experten aus der Abteilung Mitbestimmungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung. Marion Weckes und Nils Werner haben für das Jahr 2011 die Pay Ratio in den Dax-30-Konzernen ermittelt. Dabei berücksichtigten sie nicht nur die Vorstandsvorsitzenden, sondern alle Mitglieder in den Unternehmensvorständen. Auf Basis der Geschäftsberichte berechneten die Fachleute, um wie viel das durchschnittliche Salär der Spitzenmanager das durchschnittliche Gehalt im Unternehmen übertraf.
Ergebnis: Die Bandbreite ist groß, sie reicht vom 12-Fachen bei der Commerzbank über das 20-Fache bei Beiersdorf und das 82-Fache bei Henkel bis zum 170-Fachen bei VW. Im Mittel verdiente ein Vorstandsmitglied rund 53-mal so viel wie ein durchschnittlicher Beschäftigter. Auch die Entwicklung seit den Jahren 2008 und 2005, für die ebenfalls Berechnungen vorliegen, ist nicht einheitlich. Am klarsten stellt sich noch der Trend gegenüber 2005 dar: In 19 der 25 Unternehmen, die in beiden Jahren im Dax 30 notiert waren, nahm die Ungleichheit zu; teilweise kräftig.
Deutliche Veränderungen nach oben oder unten können mehrere Gründe haben: Neben der aktuellen Geschäftsentwicklung spielt beispielsweise auch eine Rolle, ob im Untersuchungsjahr Mehrjahresboni fällig wurden. Wenn ein Unternehmen neuen Beschäftigten niedrigere Löhne zahlt, etwa bei einer Expansion im Ausland, schlägt sich das ebenfalls nieder. Der relativ geringe Wert bei der Commerzbank erklärt sich mit dem Gehaltsdeckel, den die Vorstände als Bedingung für die staatliche Finanzhilfe akzeptieren mussten.
Die Zahlen sind eine wichtige Orientierungslinie für Aufsichtsräte. Experten gehen davon aus, dass eine konsequentere Anbindung der Managersaläre an die Bezahlung im Unternehmen ein wirksames Mittel gegen überzogene Gehaltssprünge an der Spitze ist. So empfiehlt der deutsche Corporate-Governance-Kodex seit diesem Jahr, die Unternehmenskontrolleure sollten „das Verhältnis der Vorstandsvergütung zur Vergütung des oberen Führungskreises und der Belegschaft insgesamt auch in der zeitlichen Entwicklung berücksichtigen“.
Die Kodex-Anforderung gehe in die richtige Richtung, sie reiche aber noch nicht aus, sagt Dr. Sebastian Sick. Der Experte für Unternehmensrecht in der Hans-Böckler-Stiftung hält es für sinnvoll, dass Aufsichtsräte künftig Obergrenzen für die Vergütungsunterschiede zwischen Vorständen und übriger Belegschaft in ihrem Unternehmen verbindlich setzen und diese auch veröffentlichen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat dafür bereits ein Konzept ausgearbeitet: Der Aufsichtsrat solle jedes Jahr festlegen, welche Relation die Gesamtvergütung der Manager, einschließlich Pensionen und Nebenleistungen, im Vergleich zum durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen im Unternehmen maximal erreichen darf.
Quelle: www.boeckler.de