Stuttgart – Der von Landesärztekammer und Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg gerade gemeinsam vorgelegte „Zweite Versorgungsbericht“ erläutert Ursachen und Auswirkungen von Traumafolgestörungen und benennt strukturelle Probleme des deutschen Gesundheitswesens bei der ambulanten psychotherapeutischen und psychosozialen Versorgung traumatisierter Flüchtlinge.
Er widmet sich der besonderen Bedeutung der Psychosozialen Zentren (PSZ) für die Versorgung von traumatisierten Flüchtlingen und Migranten in Baden-Württemberg.
„Qualitativ hochwertige Versorgungsangebote bei einer steigenden Anzahl traumatisierter Flüchtlinge können nur erbracht werden, sofern die Finanzierungsgrundlagen sicher und nachhaltig sind“, forderte Birgitt Lackus-Reitter, Vorstandsmitglied und Beauftragte für Menschenrechte der Landespsychotherapeutenkammer, anlässlich der Veröffentlichung des Berichts.
Die fünf Psychosozialen Zentren (PSZ) in Baden-Württemberg würden zwar seit 2012 vom Land finanziell gefördert. „Doch eine dauerhafte Finanzierung ist nach wie vor jedoch nicht sicher gestellt“, kritisierte sie. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer und Menschenrechtsbeauftragter der Bundesärztekammer, hob hervor, dass sich die Psychosozialen Zentren seit vielen Jahren der Versorgung von Flüchtlingen und Migranten angenommen haben. „Das Versorgungsproblem ist innerhalb des Gesundheitswesens allein nicht lösbar, vor allem weil die Aufenthaltsunsicherheit der Flüchtlinge eine enge Verzahnung von psychotherapeutisch-psychosozialer und juristischer Expertise erfordert, die wir nur unzureichend erbringen können.
Bei allen PSZ sei ein großer Teil der Mittel projekt- und spendengebunden. Eine verlässliche und den Bedarfen entsprechende Strukturfinanzierung sei aber unerlässlich. Optionen seien, den PSZ Kassenarztsitze zuzuteilen oder durch bilaterale Verträge eine weniger restriktive Bewilligung der Anträge zu gewährleisten.
Gesetzliche Krankenversicherung muss Dolmetscherkosten erstatten
Weitere Probleme seien der Zugang zu und die Finanzierung von Dolmetschern. Institutionsübergreifende Dolmetscherpools könnten nach Ansicht der beiden Kammern hier Abhilfe schaffen. Qualifizierte und unabhängige Dolmetscher müssten integraler Bestandteil der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen sein. „Es ist nicht akzeptabel, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Erstattung von Dolmetscherkosten im Rahmen einer Therapie verweigert“, betonten Clever und Lackus-Reitter.
Viele einsatzbereite Ärzte und Psychotherapeuten
Landesärztekammer und Landespsychotherapeutenkammer bedauern, dass sich Angehörige beider Berufsgruppen – je nach Region – immer wieder Hürden gegenüber sehen, die die Umsetzung ihrer Hilfsangebote behindern oder gar verhindern. „Nach den Erfahrungen unserer Mitglieder fehlen koordinierende Stellen vor Ort, an die sich die vielen einsatzbereiten Ärzte und Psychotherapeuten wenden können“, betonte Lackus-Reitter. Ärztekammerpräsident Clever ergänzte: „Leider erschweren bürokratische Abläufe und Zuständigkeitsprobleme mancherorts die schnelle und bedarfsorientierte Hilfe. Wir sind daher jetzt auf das Land zugegangen, um den beiderseitigen Dialog möglichst übergreifend zu optimieren.“
Ausdrücklich begrüßte Clever auch, dass das Sozialministerium der Landesärztekammer bestätigt habe, dass Ärzte, die in vom Land betriebenen Einrichtungen Flüchtlinge behandelten, dem Grunde und dem Umfang nach im Rahmen der Staatshaftung abgesichert seien. „Damit können viele Ärzte, die sich beispielsweise schon im Ruhestand befinden und aktiv Hilfe leisten wollen, ohne Abschluss einer Berufshaftpflicht freiwillig ärztlich tätig werden. © hil/aerzteblatt.de
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