Nach langen politischen Kämpfen zwischen Bundesregierung und Bundesländern ist am 1. April 1963 in der Geschichte der elektronischen Medien in Deutschland ein neues Kapitel aufgeschlagen worden: An diesem Tag sendete das Zweite Deutsche Fernsehen erstmals Bilder und Töne.
Komisch – wer ans ZDF denkt, hat fast immer zuerst die putzigen Mainzelmännchen, den launigen Schlageronkel Dieter Thomas Heck oder den Ex-Großshowmaster Tommy Gottschalk im Ohr und vor Augen. Das ZDF: ein nationaler Kessel Buntes, der Lerchenberg ein Born der guten Laune und Unterhaltung – vom „Traumschiff“ und der „Schwarzwaldklinik“ bis zum „Kommissar“ und „Derrick“.
In Wahrheit aber war das Zweite von Anbeginn eine Spielwiese politischer Begehrlichkeiten. Das ZDF wurde nach Adenauers gescheitertem Versuch, ein „Staatsfernsehen“ aufzubauen, der nationale TV-Kanal, in den die Bundesländer, aber auch Bonn und schließlich Berlin hineinregieren mochten und konnten.
Die Politik redet immer mit
Wenn es ums Spitzenpersonal geht, hatten die Mächtigen Zugriff auf Europas größte Fernsehanstalt. Die Wahl des Intendanten Markus Schächter geriet 2002 beinahe zur Farce. Erst nach monatelanger Hängepartie im fünften Wahlgang konnten die Korken knallen. 2009 ließ der CDU-Grande, Hessens Roland Koch, gegen den knorrigen, unabhängigen und daher missliebigen ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender die Muskeln spielen und verhinderte dessen Wiederwahl. Diese Zeiten, so meint Intendant Thomas Bellut, der seit einem Jahr amtiert, sind vorbei: „Ich kann nach meinem ersten Jahr nicht sagen, dass ich mich unter Druck gesetzt fühle – parteipolitisch.“
Klage gegen ZDF-Staatsvertrag
In Karlsruhe ist gegenwärtig eine Verfassungsklage des Landes Rheinland-Pfalz gegen den ZDF-Staatsvertrag anhängig. Es war der ehemalige rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsident und noch immer amtierende ZDF-Verwaltungsratschef Kurt Beck, der sich sozusagen selbst beklagte, mit dem Ziel den Einfluss von Parteien und Regierungen aufs Zweite zu beschneiden. Mit einem Urteil über die Staatsferne des ZDF ist für diesen Sommer zu rechnen.
Und immer wieder Schleichwerbungs-Vorwürfe
. Stichwort: Schleichwerbung: „Nach der Berichterstattung des ‚Spiegel‘ ist jede Wette durchgefilzt worden, jeder Fressnapf bei einer Hundewette, jedes Sprungseil und jeder Blumenstrauß. Und unsere Regeln wurden eingehalten“, sagt Bellut
Der Kulturkanal wird geopfert
Der Intendant will den Bestand und die Zukunft des Senders digital absichern: ZDF neo und info wurden kräftig gepusht. Dafür muss er nun in Zeiten knapper Kassen bis zu 400 Mitarbeiter abbauen, was zu großer Unruhe und Protesten auf dem Lerchenberg führt. Belluts Lösung: Er lässt das Digitalprogramm ZDF kultur einstellen.
Stolz ist man beim ZDF auf sein Informationsprofil mit starken Nachrichtenjournalisten wie Klaus Kleber vom „heute-journal“, der Allround-Talkerin Maybritt Illner und neuerdings auch auf den Erfolg der satirischen „heute show“ mit Oliver Welke. Oft banal und dennoch seriös: Das ZDF ist – nach 50 Jahren – ein Glücksfall für alle, die sich berieseln lassen wollen – und für alle, die gerne Fernsehen machen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Von Thomas Meyer, SWR