Von 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verfügen 20 über einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Die Mehrheit unter ihnen hat ihre Lohnuntergrenze zum Jahresbeginn angehoben.
Doch Massenarbeitslosigkeit in den Euro-Krisenstaaten sowie der strikte Sparkurs, den die nationalen Regierungen auch auf Drängen von EU-Kommission und IWF verfolgen, bremsen die Anpassung der Lohnuntergrenzen in Europa weiterhin stark ab, zeigt der neue Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.
10,83 Euro in Luxemburg, 9,43 Euro in Frankreich, 9,01 Euro in den Niederlanden – zum 1. Januar 2013 haben 12 EU-Länder ihre gesetzlichen Mindestlöhne erhöht. Großbritannien und Belgien hatten schon im vergangenen Herbst aufgeschlagen. Regelrecht dramatisch war der Verlauf in Griechenland. Die Regierung in Athen kürzte den Mindestlohn auf internationalen Druck um knapp 23 Prozent auf 3,35 Euro pro Stunde. Portugal, Irland, Rumänien und die Tschechische Republik froren ihr Lohnminimum ein.
In mehreren Ländern zehrte die Teuerung die Anhebung sogar auf. Das geschah beispielsweise in den Niederlanden, Spanien oder Großbritannien, wo die gesetzlichen Mindestlöhne bereits seit mehreren Jahren real an Wert verlieren. Es gab allerdings auch Ausnahmen: Litauen erhöhte seinen Mindestlohn um preisbereinigt knapp 22 Prozent. In Polen und Bulgarien stiegen die Lohnminima real um gut drei und um fast 12 Prozent.
In den westeuropäischen Euro-Ländern betragen die niedrigsten erlaubten Stundenlöhne nun zwischen 8,65 Euro in Irland und 10,83 Euro brutto in Luxemburg. Die südeuropäischen EU-Staaten haben Lohnuntergrenzen zwischen knapp drei Euro in Portugal und 4,06 Euro auf Malta. Etwas darüber liegt mit 4,53 Euro Slowenien. In den meisten anderen mittel- und osteuropäischen Staaten sind die Mindestlöhne noch deutlich niedriger. Allerdings haben mehrere davon auch in den vergangenen Krisenjahren aufgeholt. So müssen in Polen jetzt mindestens 2,21 Euro pro Stunde bezahlt werden.
In den Euro-Krisenstaaten werden die Lohnuntergrenzen unter Druck bleiben. Allerdings träten vor allem auf Ebene der EU-Kommission die Nachteile und Widersprüche einer restriktiven Mindestlohnpolitik immer deutlicher zu Tage: So lobe die Generaldirektion Wirtschaft sinkende Mindestlöhne in Krisenländern. Fast gleichzeitig warne aber die Generaldirektion Beschäftigung und Soziales vor einer zunehmenden sozialen Polarisierung in Europa und bezeichne Mindestlöhne als wichtiges Instrument, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stabilisieren.
Weiter Informationen:
Thorsten Schulten: WSI-Mindestlohnbericht 2013 – anhaltend schwache Mindestlohnentwicklung in Europa (pdf), in: WSI-Mitteilungen 2/2013 (Heft erscheint am 1. März).