Betriebs-Kitas spielen nur kleine Rolle: Forscher rechnet mit weiterem Wachstum der Nachfrage

2012 besuchten 10.400 Kleinkinder eine Betriebs-Kita. Das entspricht gerade einmal 2,2 Prozent der Unter-Dreijährigen, die in Kindertageseinrichtungen betreut wurden.

„Die Unternehmen fordern zwar zu Recht einen Ausbau der externen Kinderbetreuung. Aber selber haben viele von ihnen bislang eher wenig dafür getan“, sagt Dr. Eric Seils, Sozialexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. Seils hat die aktuellsten Daten des Statistischen Bundesamtes zu den Trägern der Kindertagesbetreuung ausgewertet.

Sie zeigen: Während Betriebs-Kitas selten sind, spielen von Elterninitiativen getragene Kitas eine nennenswerte Rolle – neben kommunalen und Einrichtungen freier Träger. 2012 besuchten 29.000 Kinder unter drei eine Einrichtung, die ein Elternverein betreibt. Das entspricht einem Anteil von knapp 6,2 Prozent. „Immerhin ist dieser Anteil zuletzt zurückgegangen. Dies deutet auf eine gewisse Entlastung der Eltern hin“, erklärt der Sozialwissenschaftler. „Die Kleinkindbetreuung wird zunehmend als öffentliche Aufgabe aufgefasst.“

Trotz des starken Ausbaus in den vergangenen Jahren seien die meisten westdeutschen Bundesländer aber noch weit von einem wirklich bedarfsdeckenden Angebot entfernt, ist der Wissenschaftler überzeugt. Die Erfahrungen anderer westeuropäischer Länder zeigten, dass ein steigendes Angebot an Kinderbetreuung zu einer wachsenden Nachfrage führt. Dafür nennt Seils mehrere Ursachen: Erstens verschöben sich mit der wachsenden Inanspruchnahme formaler Kinderbetreuung die Normen. Mit der Verbreitung steige die soziale Akzeptanz. Zweitens zeige sich, dass Kinder bei wachsenden Betreuungsquoten außerhalb von Betreuungseinrichtungen immer weniger Spielkameraden finden.

Typischerweise dehne sich die Nutzung der Kinderbetreuung von den älteren auf die jüngeren Kinder aus, wobei Kinder unter einem Jahr auch in Ländern mit gut ausgebautem Betreuungssystem überwiegend zu Hause betreut würden. Bei den Kindern, die ihren ersten Geburtstag bereits gefeiert haben, stiegen die Betreuungsquoten hingegen rasch an. Seils rechnet zwar nicht mit Quoten wie in Dänemark, wo bereits 90 Prozent aller Ein- bis Zweijährigen in eine Kindertagesstätte gehen. Gestützt auf die Erfahrungen in europäischen Nachbarländern schätzt er aber, „dass eine bedarfsdeckende Betreuungsquote in Deutschland nicht – wie von der Bundesregierung angenommen – bei 39 %, sondern erst bei etwa 60 % erreicht sein könnte“.

Hintergrund: Betreuungsgarantie in anderen europäischen Ländern
Ein individuellen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder, wie er in der Bundesrepublik am 1. August in Kraft tritt, findet man laut dem WSI-Experten in den nordischen Ländern.

In Finnland besteht dieser Anspruch für alle Kinder. In Dänemark haben alle Kinder ab einem Alter von 26 Wochen ein Recht auf einen Betreuungsplatz. In Norwegen und Schweden gilt das wie in Deutschland für Kinder ab einem Jahr. In Island existiert zwar kein individueller Rechtsanspruch, aber die Kommunen sind verpflichtet, ein bedarfsgerechtes Angebot vorzuhalten.

Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied, betont Seils: Bei der Betreuungsgarantie in Deutschland handelt es sich lediglich um einen Anspruch auf einen Teilzeitplatz. In Schweden sind die Kommunen dagegen verpflichtet, Kinderbetreuung in dem Umfang zu erbringen, wie dies von den Eltern gewünscht wird. Dort wird Kinderbetreuung sogar in der Nacht angeboten. In Norwegen, Island und Dänemark erfolgt die Betreuung ganz überwiegend in Vollzeit. „Kinder und Eltern werden also im August keineswegs eine Betreuungsinfrastruktur auf nordischem Niveau vorfinden“, sagt der Forscher.

Quelle: www.boeckler.de

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