Böckler-Stiftung: Drei Viertel der Geförderten mit Migrationshintergrund, Abbrecherquote unter 2%

Junge Menschen mit Migrationshintergrund in Bildung und qualifizierte, gute Arbeit zu integrieren, ist eine große Herausforderung für Schulen, Hochschulen, Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland. Schon vor dem starken Zuwachs an Einwanderern lagen hier große Potenziale brach, etwa weil begabte junge Menschen aus bildungsbenachteiligten, ärmeren Familien auf ein Studium verzichten.

Die Hans-Böckler-Stiftung als Begabtenförderwerk der deutschen Gewerkschaften hat eine lange Erfahrung damit, begabte junge Leute aus nicht-akademischen Elternhäusern im Studium zu unterstützen – finanziell, mit zahlreichen Seminarangeboten und durch das Engagement von Böckler-Stipendiatengruppen und von Vertrauensdozentinnen und -dozenten, die es an den meisten Hochschulen gibt. Mehr als zwei Drittel der rund 2600 aktuellen Stipendiatinnen und Stipendiaten sind die ersten in ihrer Familie, die studieren, gut ein Viertel hat einen Migrationshintergrund.

Mit der „Böckler-Aktion Bildung“ (BAB) hat die Stiftung ihr Profil noch weiter geschärft: Unter den BAB-Stipendiaten, die in den Jahren 2013 bis 2015 neu aufgenommenen worden sind, stammen sogar rund drei Viertel aus Familien, die als Arbeitsmigranten oder Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind.

Seit 2007 hat die Stiftung im Rahmen der Böckler-Aktion Bildung genau 1.000 junge Frauen und Männer in die Förderung aufgenommen. BAB richtet sich gezielt an junge Menschen, deren Familien kein Studium finanzieren könnten – und die deshalb einen vollen BAFöG-Anspruch haben.

Die Abbrecherquote liegt mit unter 2% weit niedriger als im Durchschnitt aller Studierenden in Deutschland – obwohl relativ viele BAB-Geförderte Natur-, Ingenieurwissenschaften oder Medizin gewählt haben. Ein umfangreiches Begleitprogramm der Stiftung sorgt für faire Startchancen ins Studium. Dazu zählen unter anderem eine intensive Begleitung durch die Stiftung, durch andere Stipendiaten und Vertrauensdozenten oder ein Coaching durch Altstipendiatinnen und Altstipendiaten. Zudem können Studierende Seminare besuchen, die Schlüsselqualifikationen zur Studienorganisation oder zur Kommunikation mit Lehrenden vermitteln, sowie eine Karriereberatung in Anspruch nehmen.

„Wir haben in den vergangenen Jahren zahlreiche beeindruckende Erfolgsgeschichten erlebt. Wir sind froh, dass wir diese jungen Menschen unterstützen können, die oft unter schwierigen Bedingungen Abitur oder Fachabitur gemacht haben, und zwar erstaunlich häufig mit sehr guten Noten“, sagt Dr. Wolfgang Jäger, Geschäftsführer der Hans-Böckler-Stiftung, auf einer Pressekonferenz in Berlin. „Doch wir sehen auch, dass der Bedarf weitaus größer ist. Allein auf unsere bisher 1.000 BAB-Plätze haben sich rund 9.000 Menschen beworben, und das dürfte nur ein kleiner Ausschnitt der Interessierten sein. Es ist wahrscheinlich, dass etliche junge Menschen, die nicht gefördert werden können, aus finanziellen Gründen kein Studium aufnehmen. So hören wir immer wieder, dass allein die Aussicht auf BAFöG-Schulden als gewichtiges Argument wahrgenommen wird, nicht an die Hochschule zu gehen.“

„Alles war sehr neu für mich, vor allem, da ich die erste in der Familie war, die studieren ging. Und die Uni-Bürokratie konnte einen anfänglich als Erstakademiker schon überfordern“, sagt Jusra Esmahil. Die 19-Jährige ist die 1.000ste BAB-Stipendiatin und studiert im 1. Semester Jura an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Geboren in Erbil im Irak, war sie drei Jahre alt, als ihre Familie 1999 nach Deutschland floh. „Ich hatte Glück und konnte die deutsche Sprache im Kindergarten lernen. Bei meinen Eltern ging das nicht so schnell, weshalb ich seit Anbeginn meiner Schulzeit bei den Hausaufgaben auf mich allein gestellt war“, erzählt die junge Frau.

Nach der vierten Klasse bekam sie zunächst eine Hauptschulempfehlung, arbeitete sich dann „von dort aus durch alle drei Schulformen durch.“ Ihr Abitur hat Jusra Esmahil im vergangenen Jahr mit einem Notenschnitt von 1,5 gemacht. Ein Studium aufzunehmen, war trotzdem keine klare Sache für sie: Ohne das Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung „hätte ich schon beim Hochschuleinstieg einen Nebenjob aufnehmen müssen und hätte weder Zeit, mich meinem Studium zu widmen, noch meinem gesellschaftspolitischen Engagement“, sagt sie. Wie fast alle Böckler-Stipendiaten engagiert sich die junge Frau in gewerkschaftlichen, zivilgesellschaftlichen oder politischen Initiativen.

Auch der erste BAB-Stipendiat Soumaila Savadogo hat sich lange in der Integrationsarbeit engagiert. Er war Vorsitzender des Flüchtlingsvereins in Cottbus, besuchte mit seiner afrikanischen Trommelgruppe Seniorenheime und Kitas. Nach Brandenburg kam der damals 16-Jährige 2002, als Schüler war er aus Burkina Faso geflohen – allein.

Soumaila Savadogo machte in Cottbus Abitur und hat von Ende 2007 bis 2013 mit einem BAB-Stipendium Elektrotechnik an der TU Cottbus studiert – „und in der Regelstudienzeit abgeschlossen“, betont der junge Ingenieur. Die Unterstützung durch die Stiftung habe ihm „Freiheit, Unabhängigkeit, spezielles Wissen und Fähigkeiten aus den HBS-Seminaren“ gebracht, sagt er.

Bewerbung für die Böckler-Aktion Bildung – Mehr Informationen über die Böckler-Aktion Bildung und zum Bewerbungsverfahren

Kontakt: Sarah Winter, Abteilung Studienförderung / Leiter Pressestelle: Rainer Jung

Quelle: www.boeckler.de

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