Je schneller Zuwanderer eine Arbeit in Deutschland finden, desto besser ist das für die Menschen selbst, den Arbeitsmarkt und den Sozialstaat. Zu diesem Ergebnis kommt Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einer aktuellen Analyse.
Ohne Einwanderer würde das Erwerbspotenzial in Deutschland bis zum Jahr 2050 um gut ein Drittel abnehmen. Das liegt vor allem an der Alterung der Gesellschaft. Das Verhältnis der über 64-Jährigen zu den 20- bis 64-Jährigen würde sich ohne Zuwanderung im selben Zeitraum verdoppeln.
Die Folge: Damit schrumpfe die gesamte Volkswirtschaft, selbst wenn man den technischen Fortschritt berücksichtige. Es drohten Verteilungskonflikte, schreibt der Wissenschaftler.Durch Zuwanderung könne diese Entwicklung zwar nicht vollständig kompensiert, aber zumindest abgemildert werden. Da Migranten im Vergleich jünger sind, könnten sie häufiger einer Erwerbsarbeit nachgehen, gleichzeitig erhielten sie sehr viel weniger staatliche Leistungen. „Insgesamt übersteigen die gezahlten Steuern und Abgaben der Migranten und ihrer Nachkommen die personenbezogenen Leistungen des Staates und der Sozialversicherungssysteme deutlich“, so Brücker.
Eine Nettozuwanderung von 200.000 Personen im Jahr, was dem langjährigen Durchschnitt entspricht, könne „einen erheblichen Beitrag“ leisten, die demografischen Probleme auszugleichen. Allerdings nur dann, wenn „die Migranten ein minimales Qualifikationsniveau aufweisen und halbwegs gut in den Arbeitsmarkt integriert werden“.
Bislang seien Migranten in Deutschland nur schlecht in den Arbeitsmarkt integriert. Die Erwerbsquoten und die Löhne seien deutlich geringer als die von Menschen ohne Migrationshintergrund, die Arbeitslosenquoten rund doppelt so hoch.
Der Arbeitsmarktforscher warnt allerdings davor, das Thema Migration allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten. Die Aufnahme von Flüchtlingen sei eine humanitäre Frage, die nicht unter Nützlichkeitsaspekten diskutiert werden sollte. Gleichwohl sei es notwendig, darüber nachzudenken, wie die Integration für alle Seiten besser gestaltet werden kann. So wie man den Arbeitsmarkt innerhalb der EU durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit geöffnet habe, ließen sich auch die Eintrittsbarrieren für Menschen aus Drittstaaten abbauen. Wer zum Beispiel einen Arbeitsvertrag vorlegen könne, der mindestens den üblichen Tariflohn garantiert, sollte ohne Probleme in Deutschland arbeiten können.
Als entscheidenden Punkt sieht Brücker die Anerkennung beruflicher Abschlüsse. Empirische Befunde zeigten, dass die Erwerbsbeteiligung und die Löhne deutlich steigen, wenn die Anerkennung von Abschlüssen vereinfacht wird. Insbesondere für qualifizierte Einwanderer sei Deutschland nur dann interessant, wenn diese eine Chance hätten, gemäß ihrer Qualifikation zu arbeiten.
Gleichzeitig müssten Migranten besser unterstützt werden, einen Bildungs- oder Berufsabschluss zu erwerben. Einwanderer seien im Durchschnitt 28 Jahre alt, wenn sie nach Deutschland kommen. In diesem Alter könnten sie weitere Abschlüsse erlangen – dazu sei eine bessere Förderung durch Stipendien, fremdsprachige Studien- und Ausbildungsangebote oder berufsbegleitende Sprachkurse erforderlich.
Befürchtungen, wonach die Arbeitslosigkeit steigen und die Löhne sinken könnten, weil mehr Menschen ins Land kommen, hält der Forscher für unbegründet: Durch Migration sinke die Arbeitslosigkeit in Europa und auch global, lautet sein Fazit.
Eine Frage, die bislang kaum diskutiert wird, könnte allerdings laut Brücker in Zukunft umso wichtiger werden: Nämlich wie man die potenziellen Verlierer der Migration, also die Herkunftsländer, für ihre Verluste entschädigen sollte.
Herbert Brücker: Migration und die Arbeit der Zukunft, in: Reiner Hoffmann, Claudia Bogedan (Hrsg.): Arbeit der Zukunft – Möglichkeiten nutzen, Grenzen setzen, Campus Verlag, Frankfurt/New York 2015
Quelle: www.boeckler.de