Die bisherige Kürzungspolitik hat in Griechenland bereits zu sozialen Verwerfungen geführt. Jetzt droht dem Land die Pleite – mit verheerenden Folgen für Wirtschaft und Politik, warnt der DGB-klartext und fordert eine soziale Kehrtwende in Europa. Die EU muss sich neu aufstellen und ihre Stärke für eine soziale, demokratische und friedliche Zukunft mobilisieren.
Die Verhandlung zwischen der griechischen Regierung und den „Institutionen“ genannten Kreditgebern hat einen kritischen Punkt erreicht. Es geht um die Auszahlung weiterer Gelder und die Zeit wird knapp: Ende Mai werden in Griechenland Lohn- und Rentenzahlungen fällig, im Juni Rückzahlungen an den Internationalen Währungsfonds (IWF). Ohne weitere Hilfe droht ein Zahlungsausfall Griechenlands – mit verheerenden ökonomischen, aber auch politischen Konsequenzen. Doch die Institutionen beharren weiter auf Reformen. Bei Steuerreformen und Maßnahmen gegen Steuerbetrug sind sich die Verhandlungspartner weitgehend einig. Streitpunkte sind Regelungen zum Arbeitsmarkt und zum Rentensystem. Die Institutionen, allen voran der IWF, wollen die Möglichkeit von Massenentlassungen rechtlich vereinfachen und Gewerkschaften bei der Aushandlung von Tarifverträgen schwächen.
Bisherige Lohnpolitik führte in die Katastrophe
Das wäre ein fataler Fehler, findet auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die Griechenland gegen die Absenkung der arbeitsrechtlichen Standards unterstützt. Zu Recht! Denn bereits die bisherige Lohnsenkungspolitik in Griechenland hat in die Katastrophe geführt: Flächentarifverträge wurden ausgehöhlt, Mindestlöhne gesenkt, die Einkommen der Menschen brachen ein, die Armut wuchs. Das hat auch der lokalen Wirtschaft die Nachfrage entzogen – immer mehr Unternehmen gingen Pleite, die Arbeitslosigkeit stieg.
Armutsrisiko in Griechenland, Spanien, Deutschland und der EU
Die Folgen der Lohnsenkungspolitik für Griechenland: ausgehöhlte Flächentarifverträge, gesenkte Mindestlöhne, wachsende Armut.
In puncto Rente sind die Differenzen zwischen Griechenland und den Gläubigern noch größer. Eine Einigung in der Rentenfrage ist jedoch entscheidend für den Ausgang der Verhandlungen. Für die griechische Regierung ist klar, dass sie ihr Rentensystem auf Dauer unterstützen muss – eine Finanzierung der Rentenkassen ohne Staatsgelder, wie es die Ex-Troika fordert, ist bei sinkenden Beitragszahlungen, aufgrund anhaltender Arbeitslosigkeit, nur durch massive Kürzungen der Renten möglich. Die soziale Krise würde sich dann zusätzlich verschärfen.
Kürzungskurs zerstört Vertrauen in die EU
Die sozialen Verwerfungen in Griechenland und anderen Staaten Europas fördern mittelfristig nationalistische und antieuropäische Ressentiments. Wenn weiter auf einen reinen Kürzungskurs gesetzt wird, wird das Vertrauen in die EU nicht zurückkehren. Europa braucht ein soziales Fundament mit Arbeit, Sozialleistungen und Renten, die für ein gutes Leben ausreichen. Dafür braucht es eine soziale Kehrtwende – auch in Griechenland. Die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut muss an erster Stelle stehen!
Kürzungen bei Löhnen und Staatsausgaben schaffen auch keine zukunftsfähige Wirtschaft. Dafür braucht es Investitionen – in erneuerbare Energien, Infrastruktur, Forschung und Bildung.
Die EU muss sich neu aufstellen und ihre Stärke für eine soziale, demokratische und friedliche Zukunft mobilisieren. Bei den Verhandlungen mit Griechenland kann sie beweisen, dass sie fähig dazu ist. klartext 20/2015
Quelle: www.dgb.de