Zu den Maßnahmen der Agenda 2010, mit denen die rot-grüne Bundesregierung vor über zehn Jahren den Arbeitsmarkt fit machen wollte, gehörten neue Regeln für die Arbeitnehmerüberlassung.
Wie sich diese Änderungen auf die Zufriedenheit von Leiharbeitern ausgewirkt haben, haben Henna Busk von der finnischen Universität Jyväskylä sowie Elke Jahn und Christine Singer vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung untersucht. Das Ergebnis: Bis 2002 sei die Überlassungsdauer gesetzlich auf maximal zwölf Monate beim selben Entleiher beschränkt gewesen, schreiben die Ökonominnen. Zudem galten das Synchronisations- und das Wiederbeschäftigungsverbot. Das heißt: Der Arbeitsvertrag mit der Leiharbeitsfirma musste länger dauern als der Einsatz beim Entleiher, Entlassung und anschließende Neueinstellung waren nur einmal erlaubt. 2002 – noch vor den Agenda-Reformen – wurde die zulässige Überlassungsdauer auf 24 Monate verlängert, nach zwölf Monaten waren Leiharbeiter beim Lohn den regulären Beschäftigten des Entleihers gleichzustellen.2003 wurden die Beschränkung der Überlassungsdauer, das Synchronisationsverbot und das Wiederbeschäftigungsverbot abgeschafft. Zudem wurde der Equal-Pay-Grundsatz relativiert: Leiharbeitsagenturen mit Tarifvertrag konnten von den Löhnen und Arbeitsbedingungen des Entleihers abweichen.
Mittlerweile sei Deutschland einer der größten Märkte für Leiharbeit weltweit, so die Forscherinnen.
Im Schnitt waren 2013 etwa 840.000 Leiharbeiter im Einsatz, fast 950.000 neue Verträge wurden geschlossen, 1,1 Millionen beendet.
Besonders starke Zuwächse gab es der Studie zufolge in den Jahren nach der Reform im Jahr 2003, einen dramatischen Einbruch während der Wirtschafts- und Finanzkrise: Etwa 70% der gesamten Beschäftigungsverluste in dieser Zeit seien auf Massenentlassungen in der Leiharbeitsbranche zurückzuführen.
Der Auswertung zufolge hat die Arbeitszufriedenheit von Leiharbeitern 2002 im Vergleich zu 2001 zunächst zugenommen, von etwa 6,5 auf 7 Punkte auf einer Skala von 0 bis 10.
Die Wirtschaftswissenschaftlerinnen erklären das mit dem Equal-Pay-Grundsatz, der 2002 eingeführt worden war. Im Reformjahr 2003 ging die Zufriedenheit dagegen deutlich bis auf einen Wert von etwa 6 zurück, 2004 – nach Ablauf der Übergangsfrist für den Abschluss von Tarifverträgen – waren es nur noch circa 5,7 Punkte. Auch wenn Merkmale wie das Alter, die Ausbildung, die Gesundheit, die berufliche Position oder die Erwerbsbiografie statistisch berücksichtigt werden, ergibt sich ein Rückgang der Arbeitszufriedenheit um 1,2 bis 1,4 Punkte infolge der Neuregelung.
Als Erklärung für diesen Effekt verweisen die Forscherinnen zum einen auf die Löhne von Leiharbeitern, die ihrer Analyse zufolge erheblich gesunken sind. Zum anderen zeigen die Daten, dass die wahrgenommene Jobunsicherheit um 17% gestiegen ist. Als eine weitere Ursache für die Unzufriedenheit in der Leiharbeitsbranche vermuten die Ökonominnen soziale Isolation. Da Leiharbeiter bei ständig wechselnden Firmen tätig seien, hätten sie wenig Gelegenheit, Beziehungen mit Kollegen aufzubauen.
Henna Busk, Elke Jahn, Christine Singer: Do Changes in Regulation Affect Temporary Agency Workers‘ Job Satisfaction?, SOEPpaper 732, Januar 2015
Quelle: www.boeckler.de