SVR: Selektive Abschaffung der Optionspflicht weder praxistauglich noch gerecht

Prof. Dr. Christine Langenfeld, Vorsitzende des Sachverständigenrats Deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), erklärt:

„Bei der Abschaffung der Optionspflicht zeigen sich deutliche Umsetzungsprobleme. Der Kompromiss im Koalitionsvertrag stellt den Gesetzgeber vor enorme Schwierigkeiten in der konkreten Gesetzesformulierung. Der Kompromiss, die doppelte Staatsangehörigkeit bei‚ hier geborenen und aufgewachsenen Kindern‘ zu akzeptieren, ist ein Einfallstor für Definitionsprobleme und Bürokratieaufbau. Unklar dabei ist vor allem die Frage, wie sich das ‚Aufwachsen in Deutschland‘ nachweisen lässt. Die von der Bundesregierung derzeit angestellten Überlegungen, einen deutschen Schulabschluss als Nachweis für das Kriterium des ‚Aufgewachsen seins‘ und damit als Bedingung für die doppelte Staatsangehörigkeit zu formulieren, sind weder praxistauglich noch gerecht.

Ein Kind mit langer Schulkarriere in Deutschland, das aber seinen Schulabschluss im Ausland gemacht hat, würde im Gegensatz zu einem im Ausland aufgewachsenen Kind, das lediglich das letzte Schuljahr in Deutschland verbracht hat, höhere Hürden zur Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit überwinden müssen. Es zeigt sich: Die selektive Abschaffung der Optionspflicht ist nicht durchführbar.

Die nun deutlich werdenden Umsetzungsprobleme eines halbherzigen Kompromisses machen deutlich, dass eine konsistente Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, wie sie der SVR empfohlen hat, der bessere Weg wäre. Der SVR hatte einen Doppelpass mit Generationenschnitt vorgeschlagen, der die doppelte Staatsangehörigkeit sowohl bei Geburt in Deutschland als auch bei Einbürgerung ermöglichen würde. Zugleich würde eine automatische und generationenübergreifende Weitergabe von rechtlich und politisch nicht unproblematischen Mehrfachstaatsangehörigkeiten verhindert.

Der Koalitionsvertrag konstruiert hingegen eine nicht nachvollziehbare Asymmetrie zwischen dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung und durch Geburt (ius soli). Personen, die sich einbürgern lassen wollen, müssen den Pass ihres Herkunftslandes aufgeben, in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern sollen beide Pässe behalten dürfen.

Der SVR hält es nach wie vor für unverzichtbar, das Staatsangehörigkeitsrecht umfassend zu modernisieren. Diesem wichtigen Projekt sollte sich die Regierung im Zuge der notwendigen Abschaffung der Optionspflicht jetzt zuwenden. Das wäre auch aus integrationspolitischer Sicht richtig. Koalitionsvereinbarungen sind nicht in Stein gemeißelt.“

Quelle: www.svr-migration.de

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