Deutsche Krankenhäuser in der Kritik

Die AOK – eine der größten deutschen Krankenversicherungen – schlägt Alarm. Laut ihrem jüngsten Report sterben mehr Menschen durch Fehler in den Kliniken als im Straßenverkehr. Ärzte-Vertreter bezweifeln das Zahlenwerk.

Der Bericht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK wiegt schwer und stellt Deutschlands Kliniken in kein gutes Licht. Laut dem neuen AOK-Krankenhausreport passieren bei jeder hundertsten Behandlung im Krankenhaus Fehler. Bei rund 18,6 Millionen Klinikfällen pro Jahr gäbe es demnach knapp 190.000 Behandlungen mit Problemen. Die Folgen könnten von gesundheitlichen Beschwerden bis zum Tod reichen. So würden jedes Jahr mehr Menschen durch Fehler im Krankenhaus als durch Unfälle im Straßenverkehr sterben, hieß es bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. Demnach kämen rund 18.800 Menschen durch Behandlungsfehler ums Leben. Im vergangenen Jahr gab es nach einer vorläufigen Bilanz rund 3.300 Verkehrstote.

Viele Beschwerden

Allein der Medizinische Dienst der Krankenkassen kümmerte sich nach den jüngsten Zahlen von 2012 um rund 8600 Vorwürfe von Patienten gegen Kliniken und bestätigte fast jeden dritten Verdacht. Insgesamt beanstanden nach Schätzungen rund 40.000 Versicherte pro Jahr ihre Behandlung bei Ärztestellen, Kassen oder direkt vor Gerichten.

Die Bandbreite reicht von Infektionen, die sich Kranke zusätzlich im Krankenhaus holen, über verkehrte Medikamente bis hin zu Einzelfällen von vergessenem OP-Material im Inneren des Patienten. Ärztevertreter weisen immer wieder darauf hin, dass in der Regel nicht einfach Pfusch eines Arztes dahintersteckt. Organisationsmängel, mehr komplizierte Eingriffe und auch der Mut vieler Operateure zum Risiko zählen zu den Ursachen.

„Sicherheitsstandards hoch“

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery kritisierte den Bericht. Ob es der AOK wirklich um die Sache gehe, dürfe bezweifelt werden. „Vielmehr handelt es sich wohl um das durchsichtige politische Manöver, das Thema mit Negativschlagzeilen zu besetzen“, sagte er. „Statt der üblichen Vorwurfspolitik hätten wir gerne von den AOK-Verantwortlichen gehört, was ihr Bundesverband ernsthaft unternimmt, um die Probleme zu mildern.“

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft unterstrich, die Sicherheitsstandards seien so hoch wie nie. „Sie können sich im internationalen Vergleich sehen lassen“, sagte Hauptgeschäftsführer Georg Baum. „Nie war die Bereitschaft der Krankenhäuser größer, Qualität und Sicherheit weiterzuentwickeln.“ Allerdings dürften die Kliniken bei der Finanzierung des Mehraufwands nicht alleingelassen werden.

Erfolg bei mehr Routine

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte angekündigt, den Behandlungserfolg stärker zum Maßstab für die Patienten in Deutschland machen zu wollen. Gröhe bezog sich damit auf den Koalitionsvertrag von Union und SPD. Ein neues Institut soll demnach sämtliche routinemäßig anfallende Daten der Patienten zum jeweiligen Erfolg oder zu Problemen bei den einzelnen Behandlungen auswerten. Ziel ist unter anderem eine online einsehbare Vergleichsliste zu Behandlungserfolgen der Krankenhäuser. Schlechte Qualität soll durch Abschläge bei der Finanzierung bestraft werden.

Der AOK-Bundeverband bilanzierte dies als richtigen Weg. Denn aus dem Krankenhaus-Report ging auch hervor, dass die Qualität planbarer Operationen dort am besten ist, wo sie zu Routine-Eingriffen gehören. Bei Hüftgelenk-Operationen beispielsweise muss in den Krankenhäusern mit den meisten Behandlungen deutlich seltener eine Operation wiederholt werden als in den Kliniken mit den wenigsten Eingriffen. Dort ist die Rate an Wiederholungsoperationen um 37 Prozent höher. Ähnlich sieht es aus bei der Versorgung von Frühgeburten. Die Frühchen überleben am sichersten in den Kliniken mit den meisten kleinen Patienten pro Jahr.

as/wa (dpa, epd, ots)

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