Seit 2011 setzen sich Frauen und Männer im Projekt „Stadtteilmütter und Stadtteilväter in Kreuzberg“ für mehr Partizipation von Eltern mit Migrationshintergrund in ihrem Kiez ein. Neben Fachkompetenz gehört auch viel Herzblut zu ihrem Engagement. Unser „Projekt des Monats“ im Januar!
Fragen rund um Schule, Erziehung und Pubertät
Bei den Treffen aller „Stadtteileltern“ am „Runden Tisch“ findet stets ein lebendiger Austausch statt. Dabei ist das mehrsprachige Vorlesen, wie z.B. auf Türkisch oder Arabisch, eines von vielen verschiedenen Aktivitäten, die das Projekt für Eltern im Kiez anbietet. So erklärt die Projektleiterin Şükran Topuz, dass die Stadtteilmütter- und Stadtteilväter auch Elterngespräche in Kitas führen oder Familienbesuche abhalten. Eltern mit Migrationshintergrund können sich im Rahmen der Betreuung bei Fragen rund um Erziehung, gesunde Ernährung, Medien- und Suchtprävention, aber auch bei Fragen zum Schulsystem oder zur Sprachförderung informieren. Die Stadtteileltern durchlaufen zuvor ein intensives Programm, das eine halbjährige Basis- und Aufbauqualifizierung umfasst.
Die Stadtteilmütter, unter der Trägerschaft der Diakonie, wurden 2006 als Modellprojekt in Berlin-Neukölln gestartet. Aufgrund seines Erfolgs fand das Konzept schnell Nachfolger und wurde dabei stets inhaltlich weiterentwickelt. Seit 2007 gibt es das Projekt in Kreuzberg, zunächst nur am Standort in der Wilhelmstraße. Zwei Jahre später auch in der Eisenbahnstraße, wo Şükran Topuz seither tätig ist. Seit November 2011 wird das inhaltlich erweiterte Projekt „Stadtteilmütter und Stadtteilväter in Kreuzberg“ vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert.
Auf Nachfrage sind nun endlich auch Väter mit an Bord
Seither werden beispielsweise auch Eltern mit Kindern im Schulalter ab sechs Jahren und Jugendlichen betreut. Die wesentliche Neuerung ist aber, dass der Teilnehmerkreis auf Männer ausgeweitet wurde: „Immer öfter wurden wir gefragt, wann sich denn auch endlich Väter engagieren“, erklärt Topuz. Dabei kamen die Anfragen nicht nur aus Einrichtungen wie Kitas, Schulen oder Beratungszentren, sondern auch aus den Familien und von Vätern, die sich einbringen wollten. So engagieren sich heute neben den Stadtteilmüttern auch Stadtteilväter – auch wenn es derzeit noch wenige von ihnen gibt. „Wir haben gemerkt, dass es schwieriger ist, Väter zu akquirieren, aber nicht, weil ihnen die Motivation fehlt, sondern aus beruflichen Gründen die Zeit“, weiß Projektleiterin Topuz. Aber im Vergleich zu den Stadtteilmüttern stecken die Stadtteilväter noch in den Kinderschuhen. Daher blickt Şükran Topuz zuversichtlich in die Zukunft des Projekts.
Interkulturelle Kompetenz, eine Schlüsselqualifikation der Stadtteileltern
Die Stadtteileltern kennen die Bedürfnisse und Fragen der Eltern mit Migrationshintergrund meist aus eigener Erfahrung, wie Samira Nour. Die junge arabisch-stämmige Frau kam Ende der 70er Jahre als Kind nach Berlin. Sie weiß, dass Eltern, die gerade nach Deutschland gekommen sind, viele Fragen haben und nur bedingt ihre Kinder während der Schulzeit unterstützen können.
Die größte Barriere dabei sei nicht der Wille, sondern der Zugang zu Informationen. „Ich bin in zwei Kulturen aufgewachsen und kann mich gut in diese Menschen hineinversetzen“, sagt Nour. Das erleichtere auch den Zugang zu vielen Familien, deren Akquise meist über Mundpropaganda geschieht. Dabei greift die Unterstützung auch bei alltäglichen Angelegenheiten: „Ich habe früher auch in meiner Freizeit Familien betreut, warum sollte ich das nicht beruflich machen“, dachte sich Nour. Wie sie ist ein Teil der Stadtteileltern über eine Beschäftigungsmaßnahme im Projekt tätig. Ihre Motivation ist es, über die Arbeit im Projekt ihre beruflichen Perspektiven zu verbessern.
Weitere Stadtteileltern engagieren sich ehrenamtlich, wie der Architekt Akın Karaabalı. Der 68-Jährige Rentner ist einer von zwei Stadtteilvätern, die vor kurzem Ihre Qualifizierung abgeschlossen haben. „Meine Priorität ist es, die Väter mit ins Boot zu holen“, erklärt Karaabali. In der Tat seien patriarchale Strukturen in vielen Familien noch stark verankert, umso wichtiger sei es mehr Väter für das Projekt zu gewinnen, bekräftigt Şükran Topuz.
Quelle: www.bamf.de