LobbyControl: Studie zeigt erneut Dominanz von Unternehmen in EU-Expertengruppen

Sollten Steuerberater das Beratungsgremium der EU-Kommission zur Austrocknung von Steuerschlupflöchern dominieren? Oder die Autoindustrie das zur CO2-Reduktion von Autoabgasen? Unsere neue Studie zeigt: Nach wie vor geschieht genau dies in zentralen EU-Expertengruppen.

Die Studie “Ein Jahr der gebrochenen Versprechen” wurde von unserem europäischen Netzwerk Allianz für Lobbytransparenz und ethische Regeln (Alter-EU) in Zusammenarbeit mit den Europabüros der Arbeiterkammer Österreich und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes erstellt.

Der Ausgangspunkt: Abgeordnete des EU-Parlaments froren im November 2011 das Budget der Expertengruppen der EU-Kommission ein, da diese nichts gegen das Problem der Unternehmensdominanz in diesen Gruppen unternahm.

Im September 2012 gaben sie das Budget wieder frei, nachdem das Generalsekretariat unter Kommissionspräsident Barroso zustimmte, die Gruppen in vier Bereichen zu reformieren: 1. Keine Dominanz von Unternehmensvertretern. Dominanz heißt dabei, Unternehmen haben eine Mehrheit der Sitze inne, die nicht für RegierungsvertreterInnen reserviert sind. 2. VertreterInnen von Unternehmen dürfen nicht mit dem Label “Unabhängige Experten” versehen werden. 3. Neue Gruppen sollen frühzeitig bekannt gemacht und die Mitgliedschaft öffentlich ausgeschrieben werden. 4. Volle Transparenz der Protokolle und Tagesordnungen sowie Beiträge der Kommission.

Wir wollten herausfinden, ob sie diese Versprechungen eingehalten hat. Dazu haben wir alle Expertengruppen angesehen, die in dem Jahr seit dem Auftauen des Budgets neu eingerichtet wurden. Zwar gibt es auch ein paar Fortschritte. Die “Ausreißer” sind aber eindeutig zu groß und überwiegen die Fortschritte:

Die Studie zeigt, dass in der Generaldirektion Steuern und Zollunion fast 80% aller nicht-staatlichen VertreterInnen in den neuen Expertengruppen Unternehmensinteressen repräsentieren, aber nur 3% die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen. Nur 1% kommt von den Gewerkschaften.

Im Generalsekretariat, Barrosos Einheit, beträgt die Anzahl der UnternehmensvertreterInnen in neu gegründeten Expertengruppen 64% und in der Generaldirektion Unternehmen und Industrie 62%. Vergleicht man die innerhalb des vergangenen Jahres gegründeten Expertengruppen aller Direktionen, findet man auf den nicht für RegierungsvertreterInnen reservierten Plätzen mehr VertreterInnen von Großunternehmen, als alle anderen Interessenvertreter zusammengefasst. Insgesamt wurden 52% der Sitze von VertreterInnen großer Unternehmen eingenommen, 3% von VertreterInnen kleiner und mittlerer Unternehmen und 3% von GewerkschaftsvertreterInnen.

Das Generalsekretariat, das zuständig für die vereinbarte Reform der Expertengruppen ist, stellt nicht nur weiterhin unternehmensdominierte Expertengruppen zusammen. 73% der Mitglieder, die als so genannte unabhängige Sachverständige da sind, haben enge Verbindungen zu Großunternehmen. Insgesamt finden sich unter den “unabhängigen Experten” in allen neuen Expertengruppen mehr Abgesandte von Unternehmen als aus der Wissenschaft.

Wir fordern die EU-Kommission ein weiteres Mal auf, zu zeigen, dass sie es ernst meint mit den versprochenen Reformen: Sie soll in den am schlechtesten abschneidenden Direktionen ein Moratorium auf die Bildung neuer Expertengruppen verhängen – solange, bis es Verbesserungen bei den bestehenden Gruppen gibt. Wenn sie ihre Versprechen weiterhin nicht umsetzt, muss das EU-Parlament mit seiner Warnung ernstmachen, dass sie die Expertengruppenbudgets wieder einfriert. Die Frist dafür sollte der Start der neuen Parlamentsperiode im kommenden Jahr sein.

Quelle: www.lobbycontrol.de

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