„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“. So steht es im Grundgesetz. Als Sozialstaat muss er auch zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse beitragen. Aber: Der Staat tut seit Jahren nur noch das Nötigste für Bildung, Infrastruktur, Wohnungsbau und Verkehr.
Immer mehr Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor. Der Jubel über die sinkende Arbeitslosigkeit geht seit Jahren einher mit einer Ausweitung des Niedriglohnsektors. Die meisten Löhne aus prekären und atypischen Beschäftigungsverhältnissen müssen vom Staat aufgestockt werden. Ein dauerhaft niedriger Lohn bildet die Grundlage für zukünftige Altersarmut. Angst um die Rente und der Run in Immobilienwerte spiegeln das sinkende Vertrauen der Bevölkerung in einen funktionierenden Sozialstaat wieder. Wachstumskräfte im Binnenmarkt werden so nur zögerlich aktiviert.
Die Bundesrepublik ist auf dem Weg zu einem Gewährleistungsstaat, der nur noch das Nötigste tut und ansonsten den Märkten und dem Wettbewerb freien Lauf lässt. Der Staat beraubt sich seiner eigenen Handlungsfähigkeit, lebt von der Substanz und vernachlässigt sträflich wichtige Zukunftsinvestitionen. Der Sozialstaat im Besonderen wird als Kostenfaktor, unproduktiv und teuer, diskreditiert. Das ist die Lesart der vergangenen Jahrzehnte.
Ein Vergleich Deutschlands mit den nordischen Ländern zeigt, wie es anders gehen kann – sozial gerecht und ökonomisch zukunftsfähig. Die Gesamtausgaben des Staates liegen in Dänemark, Schweden, Finnland und Island viel höher als in Deutschland mit 44,6 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Des Weiteren liegen die öffentlichen Bildungsausgaben in Deutschland mit 5,08 % des BIP (Dänemark: 8,8 % des BIP) unter dem OECD-Durchschnitt. Die nordischen Länder sind bekannt für ihre stabile Wirtschaftslage, für soziale Gerechtigkeit und einen ausgeprägten Wohlfahrtsstaat.
Der DGB fordert einen „Aktiven Staat“, der gestaltet, reguliert, durch Beteiligung und Umverteilung für gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgt und finanziell handlungsfähig ist. Eine Investitionslücke von 75 Milliarden Euro pro Jahr gilt es zu schließen. Es muss in Bildung, die marode Infrastruktur, das Verkehrswesen, die Energiewende, den Wohnungsbau und den öffentlichen Dienst investiert werden. Aber der deutsche Staat ist chronisch unterfinanziert und lebt von seiner Substanz. Dies gefährdet massiv die wirtschaftliche Entwicklung.
Ein handlungsfähiger, gut ausgestatteter und produktiver Sozialstaat zieht positive wirtschaftliche Effekte nach sich. Einschnitte ins soziale Netz und rückläufige Investitionstätigkeit müssen beendet werden. Die Zeit ist reif für einen Politikwechsel zugunsten robuster sozialer Sicherungssysteme und einer funktionierenden Daseinsvorsorge.
Quelle: www.dgb.de